Projekte zur CO2-Abscheidung unterstützen: So nutzen Sie Ihre BVCM-Strategie dafür

14. Mai 2024

Von Chris Pocock, ClimatePartner UK


Am 28. Februar 2024 veröffentlichte die Science Based Targets initiative (SBTi) einen Leitfaden darüber, wie sich Unternehmen im Bereich Beyond Value Chain Mitigation (BVCM) engagieren sollen. Der Above-and-Beyond-Bericht gibt den Unternehmen praxisnahe Empfehlungen dafür mit an die Hand.

Dabei lässt der Leitfaden jedoch eine Frage offen.

In ihrem Corporate Net-Zero Standard legt die SBTi fest, dass Unternehmen Klimaschutzprojekte zur CO2-Bindung und CO2-Abscheidung (Englisch: carbon dioxide removals, kurz: CDR) unterstützen sollen, um restliche Emissionen auszugleichen und Net Zero zu erreichen. CDR-Projekte entfernen Treibhausgasemissionen aus der Atmosphäre und speichern sie, im Gegensatz zu Projekten, die Emissionen reduzieren oder vermeiden. Bei CDR-Projekten unterscheidet man zwischen naturbasierten Lösungen wie Aufforstung und technischen Lösungen wie Carbon Capture and Storage (CCS).

Diese SBTi-Vorgabe suggeriert eine Hierarchie, wonach Unternehmen CDR-Projekte anderen BVCM-Maßnahmen wie Projekten zur CO2-Vermeidung oder -Reduktion vorziehen sollten. Allerdings sind die verifizierten Emissionsreduktionen (VERs) von CDR-Projekten oft teurer und in geringerem Umfang verfügbar. Wie können sich Unternehmen also für geeignete BVCM-Maßnahmen entscheiden? Und hat die Finanzierung von CDR-Projekten wirklich Vorrang vor Projekten zur CO2-Vermeidung oder -Reduktion?

Sollten Unternehmen überhaupt in "Offsets" investieren?  

Der Weltklimarat (Englisch: Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz: IPCC) macht in seinem Sonderbericht "Global Warming of 1.5 °C" klar, dass die Finanzierung von Klimaschutzprojekten, insbesondere von CDR-Projekten, wesentlich dafür ist, die globale Erwärmung gemäß den Zielen des Pariser Abkommens zu begrenzen. Der Schwerpunkt des Berichts liegt auf der Reduktion oder Vermeidung von Emissionen durch Maßnahmen wie der Umstellung auf erneuerbare Energien oder der auf nachhaltige Landnutzungspraktiken. Der Bericht macht deutlich, dass CDR-Technologien als Ergänzung zur Emissionsreduktion und nicht als deren Ersatz gelten sollten.

Die SBTi stützt sich auf diese Empfehlungen und rät Unternehmen dazu, über ihre wissenschaftlich fundierte Reduktionsziele (Englisch: science-based targets) hinaus in Klimaschutzmaßnahmen jenseits ihrer Wertschöpfungsketten zu investieren – in „Beyond Value Chain Mitigation" (BVCM).   

Eine aktuelle Studie von Ecosystem Marketplace hat zudem gezeigt, dass Unternehmen, die in BVCM-Maßnahmen investieren, eher aktiv Emissionen reduzieren und eine ehrgeizigere Klimastrategie verfolgen als Unternehmen, die das nicht tun.  

Investitionen in BVCM-Maßnahmen, einschließlich solcher in CDR-Projekte, sollten also nach der Reduktion von Emissionen ein wesentlicher Bestandteil der ESG- oder Klimaschutzstrategie eines Unternehmens sein.  

Sollten Unternehmen CDR-Projekte gegenüber anderen BVCM-Maßnahmen priorisieren? 

In Anlehnung an den IPCC sollten Reduktions- und Vermeidungsmaßnahmen Vorrang vor der Finanzierung von CDR-Projekten haben. Das gilt unabhängig davon, ob die Maßnahmen zur Emissionsminderung innerhalb der Wertschöpfungskette eines Unternehmens (d. h. Reduktion nach gesetzten wissenschaftlich fundierten Zielen) oder außerhalb der Wertschöpfungskette (d. h. Finanzierung von BVCM-Maßnahmen) stattfinden. Denn es ist besser, Emissionen von vornherein zu vermeiden, als sie erst dann zu beseitigen, wenn sie den Planeten bereits aufgeheizt haben.

Das bedeutet jedoch nicht, dass Unternehmen CDR-Projekte depriorisieren sollten. Die hohen Kosten der CO2-Abscheidung zwingen Unternehmen oft dazu, diese Projekte aus ihrer BVCM-Strategie auszuschließen. Langfristig führt das zu einem begrenzten Angebot und einem konstant hohen Preis von CDR-Projekten, was für die Erreichung der globalen Klimaziele hinderlich ist. Es braucht also zeitnah Investitionen in diese Projekte.

Der neue BVCM-Leitfaden gibt Unternehmen Grundsätze mit an die Hand, um eine entsprechende Strategie zu entwickeln. Demnach sollten Unternehmen Projekte unterstützen, die die größtmögliche Wirkung für den Klimaschutz erzielen, unterfinanziert sind, auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Vereinten Nationen einzahlen und Ungleichheit bekämpfen.

So kann ein Unternehmen, das vor allem Emissionen im Bereich der Landwirtschaft verursacht (z. B. ein Fleisch- oder Milchproduzent), vorrangig in thematisch verwandte Projekte wie regenerative Landwirtschaft oder Waldschutz investieren. Ein Unternehmen, das weniger unmittelbare Auswirkungen auf die Natur hat und sich stärker auf Innovationen konzentriert (z. B. ein Finanz- oder Technologieunternehmen), kann in kleinere und neuartige CDR-Technologien investieren und dazu beitragen, diese Technologien zukunftsfähig zu machen.

Wenn die Projekte, die Sie unterstützen, zu den Werten, dem Fachbereich und der Zielsetzung Ihres Unternehmens passen, können Sie das in Ihrer Kommunikation einsetzen. Zudem können sich weitere Chancen für beide Seiten ergeben, z. B. indem ein Tech-Unternehmen den Entwickler von Projekten zu technischen CO2-Abscheidung fachlich berät. 

Wie können Unternehmen sinnvoll in CDR-Projekte investieren, wenn die Kosten dafür aktuell so hoch sind?

In der Vergangenheit haben Unternehmen in BVCM-Maßnahmen vor allem nach dem Prinzip "Tonne für Tonne" investiert. Das bedeutet, dass Unternehmen verifizierte Emissionsreduktionen (VERs) in der Höhe kaufen, die ihren verursachten Emissionen entsprechen.

Dieser Ansatz wird vermehrt kritisiert: Er verleite Unternehmen dazu, den niedrigsten Preis pro Tonne anzustreben. Das kann sich negativ auf die Qualität der VERs auswirken und dazu führen, dass Unternehmen sich dafür entscheiden, lediglich einen Teil der Scope-3-Emissionen abzudecken.

Andere Ansätze, um ein Budget für BVCM-Maßnahmen festzulegen, sind "Geld-für-Tonne" und "Geld-für-Geld". Bei "Geld-für-Tonne" wird ein interner Kohlenstoffpreis festgesetzt (z. B. ergeben 1.000 Tonnen CO2e über die Scopes 1-3 zu einem Preis von 75 US$ ein Budget von 75.000 US$). Beim "Geld-für-Geld"-Ansatz stellt ein Unternehmen einen Teil seiner Einnahmen oder seines Gewinns für BVCM-Maßnahmen zur Verfügung (z. B. 2 Prozent des Gewinns = 75.000 US$).

Die SBTi akzeptiert alle Ansätze, solange die Höhe des Beitrags sinnvoll ist, empfiehlt jedoch, einen "Geld-für-Tonne"-Ansatz zu verfolgen.
Diese neue Empfehlung ist wichtig, da sie es den Unternehmen ermöglicht, in Klimaschutzprojekte mit höheren Kosten pro Tonne zu investieren, ohne zwangsläufig ihr Budget erhöhen zu müssen. So können Gelder in die Entwicklung von Technologien fließen, die Investitionen benötigen.

Unternehmen sollten bei der Wahl ihres BVCM-Ansatzes sorgfältig vorgehen. Die SBTi empfiehlt, dass Unternehmen - unabhängig vom gewählten Ansatz - einen Teil ihres Budgets für den Kauf von verifizierten Emissionsgutschriften verwenden, der mindestens 50 Prozent der verbleibenden Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Emissionen des Unternehmens entspricht (d. h. mindestens 50 Prozent beim „Tonne-für-Tonne“-Ansatz).

In der Praxis wenden führende Unternehmen eine Mischung aus diesen Ansätzen an und tendieren dazu, 1-2 Prozent des Jahresgewinns für BVCM-Maßnahmen aufzuwenden. Das kann ein Richtwert für Unternehmen sein, die versuchen, ein BVCM-Budget zu bestimmen, das als "sinnvoll" gilt.

Welche konkreten Möglichkeiten gibt es derzeit für Unternehmen, um in CDR-Projekte zu investieren?

Nachdem Unternehmen ein Budget für BVCM-Maßnahmen (über einen der genannten Ansätze) festgelegt haben, können sie die kurz- und langfristigen Optionen prüfen, um in Projekte zu investieren.

Bei CDR-Projekten, insbesondere bei den technischen Lösungen, führen Vorabinvestitionen häufig zu einer Verringerung der langfristigen Anschaffungskosten. Die meisten Projekte stecken noch in den Kinderschuhen und verkaufen daher eher das Versprechen zukünftiger VERs (ex-ante) als bereits nachgewiesener Emissionsreduktionen (ex-post).

Ein Beispiel dafür ist das Projekt des Entwicklers UNDO, das Gesteinsverwitterung beschleunigt. Zerkleinertes Silikatgestein wird oft als Nebenprodukt anderer Industrien gekauft, weitertransportiert und auf landwirtschaftlich genutzten Flächen verteilt. Dadurch wird Kohlenstoff durch natürliche chemische Reaktionen im Gestein geochemisch gebunden. Eine bestimmte Menge Silikatgestein (d. h. vorhersehbare Kosten) führt zu einer sehr gut prognostizierbaren Menge an gebundenem Kohlenstoff über einen Zeitraum von etwa sieben Jahren. Das bedeutet, dass die finanzielle Investition im Voraus getätigt wird, der Nutzen (gebundener Kohlenstoff) jedoch über sieben Jahre hinweg entsteht.

Unternehmen mit einem niedrigeren Budget sind wahrscheinlich auf Spot-Transaktionen auf dem freiwilligen CO2-Markt (VCM) beschränkt und daher anfällig für Preisschwankungen, insbesondere bei dem Ansatz "Tonne für Tonne". Andererseits können sich Unternehmen, die in ihre eigene Projektentwicklung investieren können, eine positive Wirkung auf das Klima für Zeiträume zwischen 5 und 25 Jahren sichern – je nach Projekt und verwendeter Technologie, wobei weniger langfristige Investitionen erforderlich sind.

Wie Unternehmen die eigene Wirkung erhöhen und langfristige Kosten senken können

Die Entwicklung einer CDR-Strategie in Verbindung mit einer umfassenderen BVCM-Strategie ist ein sinnvoller Weg für Unternehmen, ihr Risiko zu reduzieren, ihren langfristigen Investitionsbedarf in BVCM-Maßnahmen zu verringern und sich zu sinnvollen Maßnahmen zu verpflichten. ClimatePartner kann Sie dabei beraten und bietet Ihnen Möglichkeiten für Co-Investitionen. Sprechen Sie uns an, um mehr über die Finanzierung von Klimaschutzprojekten zu erfahren.

Kontaktieren Sie uns