Die vier Säulen des Erfolgs der COP27

24. Oktober 2022

Die UN-Klimakonferenz 2021 (COP26) endete mit einigen ambitionierten Absichtserklärungen in den Bereichen Finanzierung, Kohleausstieg und Entwaldung – konkrete Maßnahmen, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden, wurden jedoch nicht beschlossen.  

Die diesjährige Klimakonferenz COP27 muss diese Lücke schließen und einen deutlichen Schritt weitergehen – vor allem in Bezug auf Rechenschaftspflichten, Anpassungsstrategien, die Finanzierung von Schäden und Verlusten, Klarheit für den Emissionshandel sowie die Ausgestaltung und Umsetzung des Artikels 6.

Was steht auf der Agenda der COP27?

Die COP27 findet vom 6. bis 18. November 2022 im ägyptischen Sharm el-Scheich statt und ist die fünfte UN-Klimakonferenz in Afrika. 

Jeder Tag ist einem anderen Thema gewidmet, darunter Finanzierung, Wissenschaft, Jugend und künftige Generationen, Dekarbonisierung, Anpassungsmaßnahmen und Landwirtschaft, Geschlechtergerechtigkeit, Wasser und Artenvielfalt. Das Thema Dekarbonisierung ist für Unternehmen und die Wirtschaft von besonderem Interesse und befasst sich unter anderem mit schwer zu dekarbonisierenden Wirtschaftszweigen wie der Stahl-, Zement- und Düngemittelindustrie. Angekündigt ist außerdem eine Diskussion über die globale Methan-Verpflichtung, die im Rahmen der COP26 von 122 Staaten unterzeichnet wurde. 

Wie der WWF betont hat, bietet die diesjährige UN-Klimakonferenz die einmalige Gelegenheit, die besonderen Umstände und Bedürfnisse des gesamten afrikanischen Kontinents in den Blick zu nehmen: „Alle Diskussionen auf der COP27 sollten die Erkenntnisse, das Fachwissen und die Kapazitäten berücksichtigen und nutzen, die in Afrika entwickelt wurden, um die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen.“ Es ist großartig zu sehen, dass die Agenda dieses Versprechen einlöst. 

Trotz der fragilen geopolitischen Situation und der politischen Spannungen in der Welt – allen voran aufgrund von Corona, steigender Inflation, Rezessionsängsten und des Einmarsches Russlands in die Ukraine – bleibt ClimatePartner vorsichtig optimistisch, dass die COP27 ein Gefühl von Einheit und Zusammenarbeit im gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel verbreiten wird.

1. Entwaldung stoppen

Auf der COP26 verpflichteten sich 141 Länder mit der Unterzeichnung der Glasgow Forest Declaration, den Verlust von Wald und Boden bis 2030 zu stoppen und umzukehren; die Unterzeichnerstaaten verfügen über 91 % der weltweiten Waldfläche.

Trotz dieser internationalen Selbstverpflichtung muss die Abholzung tropischer Primärwälder deutlich gebremst werden. Satellitenbilder zeigen, dass 2021 3,75 Millionen Hektar Regenwald – oder jede Minute zehn Fußballfelder – verschwanden; vorläufige Berichte bestätigen diese Zahlen.

Dies zeigt, wie wichtig es ist, dass Unternehmen in die Reduzierung von Emissionen durch Abholzung und Waldzerstörung (REDD+) investieren. ClimatePartner beobachtet spannende Entwicklungen im Bereich des jurisdiktionellen REDD+, einer Art des integrierten Landschafts- und Waldschutzes mit starker Regierungsbeteiligung, der zu einer umfassenden Regulierung der Landnutzung in ganzen politischen Gebieten führt. Das Konzept des jurisdiktionellen REDD+ verspricht eine stärkere Integration des Waldschutzes in den allgemeinen Umweltschutz, etwa durch Verringerung des Risikos von Verlust innerhalb politischer Grenzen. 

Bislang mangelt es jedoch noch an Klarheit, wie projektbasierte REDD+-Zertifikate gehandelt werden sollen. ClimatePartner geht nicht davon aus, dass das Interesse an oder die Verfügbarkeit solcher Zertifikate angesichts der hohen Bedeutung des Waldschutzes für die Eindämmung des Klimawandels nachlassen wird, denn wir haben keine andere Wahl, als unverzüglich zu handeln und unsere Wälder zu schützen. 

2. Klarheit in Bezug auf Artikel 6

ClimatePartner plädiert für eine Einigung in Bezug auf alle notwendigen Aspekte, um Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens umweltverträglich umzusetzen und Finanzmittel für einen Übergang zu einer net-zero Gesellschaft bereitzustellen.

Auf der COP26 hatte es viele Gespräche zum Thema Corresponding Adjustments – also „entsprechende Anpassungen“ – gegeben. Corresponding Adjustments bezeichnet einen Mechanismus, bei dem die Emissionsbilanz des Landes eines Klimaschutzprojekts angepasst wird, wenn Klimaschutzzertifikate verkauft und transferiert werden. Würde beispielsweise ein Klimaschutzprojekt in Brasilien Zertifikate verkaufen, wäre Brasilien nicht in der Lage, diese Emissionsminderungen für die Erreichung seiner eigenen Klimaziele zu zählen, da sie dem Emissionsinventar des Landes angerechnet würden, das die Zertifikate einkauft. 

Aktuell gibt es kein standardisiertes Verfahren für die Ausgabe von Corresponding Adjustments durch Gastländer solcher Projekte, was viele Länder unvorbereitet zurücklässt. Ein einheitlicher Ansatz würde Staaten dabei unterstützen, die notwendigen Schritte einzuleiten, um bilaterale Verträge zu schließen und somit globale Klimaschutzaktivitäten zu beschleunigen.

Anders als Staaten nutzen Unternehmen keine Zertifikate vom freiwilligen Markt, um Reduktionsleistungen zur Erreichung der eigenen Ziele geltend zu machen. Die Mitigation Hierarchie schreibt vor, dass Investitionen in die Reduzierung von Emissionen stets Priorität haben müssen und dass alle Minderungsaktivitäten außerhalb der Wertschöpfungskette,  wie der Kauf von Emissionsrechten auf dem freiwilligen Markt, die weitgehende Reduktion der eigenen Emissionen ergänzen muss, anstatt diese zu ersetzen. 

Auf dem freiwilligen Markt werden Reduktions- oder Kompensationsleistungen derzeit nicht an andere Länder transferiert, sondern verbleiben im Projektland. So wird eine Doppelzählung vermieden.

Die Rolle von Corresponding Adjustments und deren Einführung auf dem freiwilligen Markt (VCM) müssen auf der COP27 geklärt werden. Derzeit lautet der allgemeine Standpunkt des freiwilligen Marktes, dass Corresponding Adjustments optional sein sollten. Sollte dies so bleiben, werden die meisten Akteure die „regulären“ freiwilligen Kompensationszertifikate den „International Trade Mitigation Outcomes“ (ITMO) vorziehen. Da ITMOs eine corresponding adjustment voraussetzen, werden sie voraussichtlich teurer und schwieriger zu bekommen sein, und weil immer mehr Unternehmen von bloßen Ankündigungen zu wirksamen Maßnahmen übergehen, ist der Wert von ITMOs für den freiwilligen Markt fraglich.

ClimatePartner plädiert zudem für Entscheidungen in Bezug auf die Übertragung von Projekten und Methoden des Clean Development Mechanism (CDM) auf den neuen Mechanismus des Artikel 6.4.

3. Anpassungsmaßnahmen

Die Wahrscheinlichkeit, dass wir es nicht schaffen werden, die globale Erwärmung auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen steigt. Deshalb müssen Länder weltweit damit beginnen, Anpassungsmaßnahmen an das Klima zu planen und entsprechende Investitionen auf den Weg bringen. 

Für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels gibt es keine einheitliche Lösung. Laut dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen für Klimaveränderungen (UNFCCC) „kann Anpassung von der Errichtung von Hochwasserdämmen, dem Aufbau von Frühwarnsystemen für Wirbelstürme und der Umstellung auf dürreresistente Nutzpflanzen bis hin zur Umstellung von Kommunikationssystemen, Geschäftsabläufen und staatlicher Politik reichen“.

Im September 2022 hatten nur 38 Staaten ihre nationalen Anpassungspläne (NAP) eingereicht. ClimatePartner hofft, dass die COP27 den Anstoß dafür geben wird, dass mehr Länder ihre NAP schnell finalisieren und mit deren Umsetzung beginnen.


Interessanterweise wurde vereinbart, dass ein Anteil von 5 % an den Einnahmen aus dem Zertifikatehandel gemäß Artikel 6.4 an den Global Adaptation Fund geht, um Ländern des Globalen Südens zu helfen, Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren. Obwohl diese Pflicht nicht für Artikel 6.2 gilt – der die Grundlage für den internationalen Handel von Emissionsminderungszertifikaten (oder „mitigation outcomes“) regelt – sollten Staaten unbedingt auch mit den Einnahmen aus Transaktionen gemäß Artikel 6.2 so verfahren.

4. Finanzierung von Schäden und Verlusten

Die verheerenden Überschwemmungen in Pakistan Anfang des Jahres haben uns einmal mehr deutlich vor Augen geführt, dass die verwundbarsten Länder trotz ihres historisch begrenzten Beitrags zum Klimawandel besonders schwer von dessen Folgen betroffen sind.

Die COP27 sollte deshalb im Rahmen der bestehenden UNFCCC-Finanzarchitektur einen Fonds zur Finanzierung von Schäden und Verlusten durch den Klimawandel einführen. Auf der COP27 müssen sich die Staaten auf Maßnahmen einigen, um das „Santiago Network on Loss and Damage“ (SNLD) endgültig und offiziell einzuführen. 

Wie das World Resources Institute (WRI) betont, „sind ausreichende finanzielle Mittel entscheidend, um Länder des Globalen Südens technisch zu unterstützen und eine Methode zu entwickeln, die dafür sorgt, dass die technische Unterstützung von den Ländern selbst getragen wird und der Schwerpunkt auf lokaler Expertise liegt“.

Die Finanzierung von Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen allein reicht nicht aus – auch der finanzielle Umgang mit Schäden und Verlusten muss auf den Tisch.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die COP27 ambitioniert und hoch komplex ist – umso mehr angesichts der schwierigen geopolitischen Lage. Im ägyptischen Sharm el-Scheich werden hoffentlich die Standpunkte afrikanischer Länder eine zentrale Rolle spielen, denn viele Staaten des Afrikanischen Kontinents werden unmittelbar am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sein.  

ClimatePartner bleibt vorsichtig optimistisch, dass es mehr Klarheit in Bezug auf Artikel 6 und den freiwilligen Markt, weitere Maßnahmen zur Beendigung der Entwaldung und einige konkrete Vereinbarungen zu Anpassungsmaßnahmen sowie zur Finanzierung von Schäden und Verlusten geben wird.