Insetting: Kunstwort oder ernstzunehmender Mechanismus?

3. Juli 2018

Insetting: Kunstwort oder ernstzunehmender Mechanismus?

Vermeiden – reduzieren – ausgleichen. Dieser Dreiklang gilt seit Jahren als effektive Richtschnur im Klimaschutzengagement von Unternehmen. Der letzte dieser drei Mechanismen wird im englischen Sprachgebrauch als „Carbon Offsetting“ bezeichnet. Und aus diesem Begriff leitet sich auch der Name eines verhältnismäßig neuen Konzepts ab – dem „Insetting“. 

Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Konzept und inwieweit weicht es vom bestehenden und etablierten Mechanismus des Carbon Offsetting ab?

Im Kern geht es beim Insetting darum, Klimaschutzmaßnahmen in der eigenen Wertschöpfungskette umzusetzen. Dies ist zunächst einmal sinnvoll, da bei den meisten Unternehmen ein Großteil der CO2-Emissionen in der Lieferkette generiert und damit also schon mit eingekauft wird. Im Gegensatz zum Carbon Offsetting existiert für das Insetting hingegen keine allgemein anerkannte Definition. 

Wir möchten das als Grundlage nehmen, um drei alternative Herangehensweisen zum Insetting Konzept vorzustellen und zu erläutern:

Variante 1: Carbon Offsetting mit regionalem Bezug zur eigenen Lieferkette

In der einfachsten Variante des Insetting geht es schlichtweg darum, bei der Auswahl der Klimaschutzprojekte auf einen regionalen Bezug zur eigenen Lieferkette zu achten. Ein Schokoladenhersteller könnte also beispielsweise bewusst ein Klimaschutzprojekt in der Elfenbeinküste unterstützen, wenn er von dort einen Großteil seiner Rohstoffe bezieht. 

Ob diese Definition nun bereits Insetting oder lediglich „normales“ Carbon Offsetting beschreibt, ist umstritten. Nicht zuletzt hängt die Entscheidung von der Art und den regionalen Auswirkungen des gewählten Klimaschutzprojektes ab. Ein einfaches Aufforstungsprojekt, das nur geringe regionale Abstrahlwirkungen generiert und von dem nur wenig Menschen direkt profitieren, kann zu wenig sein, um bereits von Insetting zu sprechen. Hilft das Projekt jedoch dabei, die natürlichen Ressourcen einer Region zu schützen (etwa Waldschutzprojekte nach dem REDD+ Standard), kann es absolut gerechtfertigt sein, von Insetting zu sprechen. Die Entscheidung muss im Einzelfall gefällt werden.

Variante 2: Carbon Offsetting mit direktem Bezug zur eigenen Lieferkette

Höhere Anforderungen an das Insetting stellt die zweite Variante. Hierbei reicht ein rein regionaler Bezug nicht mehr aus. Vielmehr muss sichergestellt sein, dass die eigene Lieferkette durch ein Projekt direkt profitiert. In dieser Definition könnte man beispielsweise von Insetting sprechen, wenn durch ein Klimaschutzprojekt erneuerbare Energiequellen geschaffen werden, die von Unternehmen aus der eigenen Lieferkette genutzt werden können (wie etwa unser Wasserkraftprojekt in der demokratischen Republik Kongo). Damit reduziert sich letztlich auch der CO2-Fußabdruck der eigenen Produkte und die Effekte der Maßnahme sind direkt in der eigenen Lieferkette sichtbar.

Der Unterschied zur Variante eins ist also die Anforderung, dass ein direkter funktionaler Bezug zur Lieferkette bestehen muss. Häufig ist dafür die Schaffung eigener Klimaschutzprojekte notwendig, was jedoch sehr zeit- und kostenintensiv ist. Eine sinnvolle Alternative bieten hier bestehende Klimaschutzprojekte, die von Anfang an darauf angelegt wurden, in andere Regionen ausgeweitet zu werden (sogenannte „Programm-of-Activities“ – POA – Projekte). Insgesamt setzt Variante zwei dennoch deutlich höhere Hürden für das Insetting als Variante eins.

Variante 3: Maßgeschneiderte Klimaschutzprojekte in der eigenen Lieferkette

Die dritte Variante ist am anspruchsvollsten, da sie fordert, dass die Klimaschutzprojekte auf die eigene Lieferkette zugeschnitten und direkt in der eigenen Lieferkette angesiedelt sind. Unternehmen, die diesen Ansatz wählen, müssen sich daher intensiv mit der eigenen Lieferkette auseinandersetzen und vor Ort Maßnahmen umsetzen, die die eigenen Lieferanten direkt dabei unterstützen, ihre Produktion klimafreundlicher zu gestalten. Unternehmen könnten in diesem Zusammenhang beispielsweise Maßnahmen umsetzen, um die Reduktion von Ausschüssen und Abfällen in der Produktion zu reduzieren, den Energieverbrauch zu senken oder durch Mitarbeiterschulungen einen nachhaltigeren Umgang mit knappen Ressourcen zu erreichen. 

Damit sich dieser Ansatz von reinen CO2-Reduktionsmaßnahmen in der Lieferkette abhebt, müssen diese zusätzlich noch nach einem der gängigen Standards für Klimaschutzprojekte jeweils einzeln zertifiziert werden. Nur so haben Unternehmen den sicheren Nachweis, dass die ergriffenen Maßnahmen auch als Insetting-Projekte geeignet sind. Insgesamt werden bei dieser Variante also sehr hohe Einstiegshürden für das Insetting gesetzt.

Wie „richtig“ Insetting betreiben?

Welcher dieser drei Ansätze ist nun aber der richtige? Das lässt sich pauschal schwer beantworten, da es auch von den Rahmenbedingungen abhängt. Kleine und mittelständische Unternehmen haben schlichtweg nicht die Größe und in der Regel auch nicht die notwendigen Ressourcen, um eigene Klimaschutzprojekte in der Wertschöpfungskette zu schaffen. Dies setzt bestimmte Mindestmengen an CO2-Emissionen sowie entsprechend hohe Budgets für die Planung, Initiierung und Zertifizierung der Projekte voraus. Für die meisten kleineren Unternehmen bietet daher die Wahl eines Klimaschutzprojektes mit regionalem Bezug zur eigenen Lieferkette die einzige Möglichkeit, in ihrem Klimaschutzengagement einen Bezug zu ihrer Lieferkette zu schaffen. 

Hingegen haben große Unternehmen zumindest theoretisch die Ressourcen und Möglichkeiten, um maßgeschneiderte Klimaschutzmaßnahmen in der eigenen Lieferkette (siehe Variante 3) umzusetzen. Einige Unternehmen – etwa das französische Kosmetikunternehmen L’Oréal – verfolgen diesen Ansatz mit großer Leidenschaft. Jedoch erfordert dieser Ansatz erhebliche interne Anstrengungen und Ressourcen und ein langfristiges Engagement. 

Einen guten Mittelweg bildet daher die Definition nach Variante zwei: Die Anwendung bestehender Klimaschutzmechanismen mit direktem funktionalen Bezug zur eigenen Lieferkette. Dieser Ansatz bietet auch mittelständischen Unternehmen (ab etwa 10.000 t CO2 pro Jahr) die Möglichkeit, sich in der eigenen Lieferkette zu engagieren. Gemeinsam mit Unternehmen entwickelt ClimatePartner hier maßgeschneiderte Sourcing-Strategien, um dieses Konzept praktisch anzuwenden.

Bei dieser Analyse wird jedoch auch deutlich, dass der Insetting-Mechanismus klarer definiert werden muss, um von Unternehmen wirklich in der Breite angewendet zu werden. Gemeinsam mit führenden Unternehmen wie Nespresso, Chanel und L’Oréal engagiert sich ClimatePartner daher im Vorstand der International Insetting Platform (IPI) dafür, den Mechanismus zu schärfen und weitere Anwendungsbeispiele für das Thema Insetting zu schaffen. Denn viel wichtiger als jede Definition sind praktische Anwendungsbeispiele, wie Klimaschutz sinnvoll in die Lieferketten globaler Unternehmen hineingetragen werden kann.

Eine Analyse von Dr. Christian Reisinger
 

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